Pflegebildungsreform – Zurück in die Zukunft!
Integrierte Pflegeausbildung ist aufwendig und bringt keinen Fortschritt
Verschiedene Medien haben in der vergangenen Woche berichtet, dass sich die Bundesregierung zurzeit in Sachen Pflegeausbildungsreform nicht auf die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlassen kann. Der Regierungsentwurf zum Pflegeberufereformgesetz sieht bekanntlich eine konsequente Zusammenführung der drei bislang nebeneinander bestehenden Berufe der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu einem neuen, zukunftsfähigen Pflegeberuf vor. Teile der Unionsfraktion sind auf Oppositionskurs umgeschwenkt und sehen in einer zweijährigen integrierten Pflegeausbildung, die im dritten Jahr wieder drei verschiedene Berufe hervorbringt, die Zukunft. Professor Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) in Köln kritisiert dies scharf: „Vor zwanzig Jahren hätte man mit einer integrierten Pflegeausbildung vielleicht noch einen Blumentopf gewonnen, heute ist das ein Modell unter dem Motto ‚Zurück in die Zukunft‘!“
Berufsverbände, Pflegewissenschaftler und Pflegebildungsexperten fordern seit langem die zügige Umsetzung der vollständigen Pflegebildungsreform und stützen sich dabei auf zahlreiche Modellprojekte und Studien. „Dieser Vorschlag, die bestehenden Pflegeausbildungen nur zu zwei Drittel zu integrieren, zeigt schon auf den ersten Blick, dass es nichts Halbes und nichts Ganzes ist“, sagt Prof. Weidner. „Alle Modellprojekte und Schulen, die in den letzten zwanzig Jahren die integrierte Pflegeausbildung erprobt haben, sind schnell in der Generalistik gelandet.“ Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Der Aufwand, um die bisherigen Ausbildungen in eine integrierte Pflegeausbildung umzuwandeln, wird von Experten ähnlich hoch eingeschätzt wie derjenige einer vollständigen Generalisierung. Organisatorisch, finanziell und europarechtlich stellen sich fundamentale Fragen. So muss auch hier die Frage der Zulassungsvoraussetzung geklärt werden. Hinzu kommt ein neues Steuerungsproblem für die Schulen zwischen dem zweiten und dritten Ausbildungsjahr, je nachdem, wie viele Schüler sich in jedem Jahr für welchen Berufsabschluss entscheiden. „Ich sehe nicht, dass sich der Aufwand der Reform verringert, klar ist aber, dass vieles, was in der konsequenten Generalistik möglich wäre, auf der Strecke bleibt. Klar ist auch, dass Altenpfleger aus der integrierten Ausbildung weiterhin in Europa nicht als Fachkräfte anerkannt sein werden“, moniert Weidner.
Eine integrierte Pflegeausbildung stellt auch weitere innovative Ansätze des Regierungsentwurfs in Frage. Das dort bislang vorgesehene Pflegestudium ist auf eine vollständige Generalisierung ausgerichtet. „Sie finden in Deutschland aus gutem Grunde heute keine Pflegestudiengänge, die dem integrierten Modell entsprechen. Akademisierung heißt Generalisierung – das hat sich vollends durchgesetzt!“, erklärt Weidner. Insgesamt bewertet er diese aktuellen Entwicklungen rund um die Pflegebildungsreform als mut- und phantasielos. „Die Idee der integrierten Pflegeausbildung trägt deutliche Züge einer Zukunftsverweigerung und würde dem Pflegestandort Deutschland nachhaltig schaden!“
Wissenschaftlich widerlegt sind nach Aussagen des Pflegeforschers die Ansichten der Generalistik-Gegner, dass man in drei Jahren generalistischer Pflegeausbildung nicht das Rüstzeug für die Pflege von Menschen aller Altersgruppen erhalten könne. „Sämtliche europäischen Nachbarländer bekommen das in drei Jahren sehr gut hin! In Deutschland traut man das der Pflege offensichtlich nicht zu!“, so Weidner.
Das gemeinnützige Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) ist ein Institut an der Katholischen Hochschule NRW (KatHO NRW) in Köln und betreibt einen weiteren Standort an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV) bei Koblenz. Seit der Gründung im Jahr 2000 hat das Institut rund einhundertzwanzig innovative Projekte im Bereich der Pflege-, Pflegebildungs- und Versorgungsforschung durchgeführt und zahlreiche Studien zur Situation der Pflege in Deutschland veröffentlicht. Es finanziert sich nahezu ausschließlich durch eingeworbene Forschungsgelder.
Kontakt: Elke Grabenhorst, Tel: 0221/ 46 86 1 - 30; dip@dip.de
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