Studie: Arbeitsverdichtung auf der Intensivstation kann schwerwiegende Folgen haben
Zwischenfälle wären bei besserer Personalausstattung vermeidbar
Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) hat heute die Ergebnisse des Pflege-Thermometers 2012 vorgestellt. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 535 Leitungskräfte von Intensivstationen zur Personalausstattung, Patientenversorgung, Patientensicherheit und zum Aufgabenbereich der Intensivpflege in ganz Deutschland befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass dort, wo ein besonderer Pflegepersonalmangel besteht, die Risiken für die Patienten auch besonders hoch sind. Sichtbar wird aber auch, dass es inzwischen üblich ist, dass Pflege und Medizin in der Intensivtherapie auf Augenhöhe arbeiten und wichtige Entscheidungen gemeinsam treffen. Die Studie wurde von der B. Braun-Stiftung gefördert.
Projektleiter Prof. Michael Isfort vom dip brachte die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Patientensicherheit auf folgenden Punkt: „Wir waren schon überrascht, wie häufig kritische Zwischenfälle beschrieben worden sind. Das Ausmaß ist erschreckend. Wir haben flächendeckend Probleme identifiziert, die vermeidbar erscheinen. Dazu aber müssten die Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Ausstattung mit Fachpersonal und technischem Gerät konsequent umgesetzt werden“.
Laut Studie lassen sich Mängel nicht nur in der Angehörigenbetreuung und in der psychosozialen Begleitung der Patienten ausmachen. Betroffen sind auch Kernelemente der Pflegearbeit wie eine angemessene Überwachung von verwirrten Patienten, die Mobilisierung von Patienten oder die Unterstützung der Nahrungsaufnahme. Selbst bei Medikamentengaben und Hygienemaßnahmen oder Verbandswechseln sind es jeweils etwas mehr als die Hälfte der Befragten, die Fehler innerhalb der letzten sieben Arbeitstage nicht ausschließen konnten. In der Studie wurde darüber hinaus nachgewiesen, dass besonders dort eine höhere Fehlerquote eingeschätzt wurde, wo drei statt zwei Patienten von einer Pflegekraft betreut werden. Damit wird ein Zusammenhang zwischen einer geringeren Pflegekapazität und höheren Risiken für die Patienten sichtbar.
Die Arbeitsbelastung für die Pflegefachkräfte auch auf Intensivstationen nimmt weiter zu. Die Zahl der Behandlungsfälle steigt von Jahr zu Jahr, aber die Personalausstattung hinkt hinterher. Dies drückt sich auch in relevanten Belastungsparametern aus. Jede zweite befragte Leitungskraft stellt eine Zunahme an ernsthaften und längerfristigen Erkrankungen bei den Mitarbeitern fest. So stiegen die Krankheitsdauer, die Krankheitshäufigkeit und kurzfristige Krankheitswiederholung bei Mitarbeitern in den letzten beiden Jahre deutlich an.
Die Studie zeigt aber auch die hohe Verantwortungsbereitschaft der Pflegefachkräfte und deren Eigenständigkeit im Handlungsfeld der Intensivpflege auf. Isfort betont, „dass die Pflegekräfte vielerorts eigenverantwortlich die Therapien nicht nur überwachen, sondern inzwischen auch selbstständig steuern. Das gilt sowohl für Aspekte der Beatmungstherapie als auch für die kurzzeitige Regulierung von Medikamentengaben“. Damit nimmt die Pflege zusehends eine Schlüsselstellung in der Intensivtherapie ein und führt bereits heute zahlreiche Leistungen eigenverantwortlich aus, die üblicherweise dem ärztlichen Dienst zugeschrieben werden. „Die Realität in der Pflege ist weiter, als berufspolitische Diskussionen und Statements von Gesundheitspolitikern es erahnen lassen“, so Isfort.
Der Konkurrenzkampf um gut ausgebildete Pflegefachkräfte ist in vollem Gange. Das Abwerben von Mitarbeitern von Intensivpflegestationen ist inzwischen an der Tagesordnung. Zahlreiche offene Stellen können zeitnah nicht wiederbesetzt werden. In der Studie wird insgesamt das umfassende Problemfeld der Nachwuchsgewinnung, Personalrekrutierung und der Personalbindung sichtbar, das die Krankenhäuser alleine nicht kurzfristig werden lösen können. Isfort: “ Es wird höchste Zeit, dass umfassend in die Pflege investiert wird, wenn die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf möglichst hohem Niveau erhalten bleiben soll“.
Die Studie kann kostenlos unter www.dip.de heruntergeladen werden. Das Pflege-Thermometer 2012 ist bereits die sechste größere Untersuchung dieser Art seit 2002.
Das gemeinnützige Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) ist ein Institut an der Katholischen Hochschule NRW (KatHO NRW) in Köln und betreibt einen weiteren Standort an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV) bei Koblenz.
Kontakt: Elke Grabenhorst, Tel: 0221/ 46861-30; dip@dip.de
(Veröffentlichung frei, Beleg erbeten